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Leseproben aus 'Moritz'

Der 14. Geburtstag

Ja, wenn er so zurückdachte an seinen Geburtstag im letzten Jahr, wie grässlich der war, da konnte er seine Mutter schon verstehen, dass sie nicht vorhatte, seinen Vater noch mal an dem Fest teilhaben zulassen.

Moritz vierzehnter Geburtstag.

Sein Vater hatte die Großmutter und den Großvater mit dem Auto hergebracht und gleich an der Haustür ging es schon los. "Ach, Barbara, was hast du für ein schmuckes Häuschen, so klein und eingerichtet, wie eine Puppenstube. Aber euer Rasen, mäht ihr den jetzt nicht mehr vor dem Winter? Und all das Laub. Das sieht doch so ungepflegt aus." Und drinnen in der Wohnung gings weiter. "Ach, das ist aber nett bei euch, aber warum habt ihr denn noch die Klappläden außen am Haus, wenn ihr doch eh Rollläden habt? Meinst du nicht, Richard, ihr müsstet mal das Dach decken lassen, das bricht doch irgendwann alles ein."

Und nicht etwa, dass der Großvater all diese Bemerkungen gemacht hätte, der saß nur stumm neben seiner Frau und kaute auf seinem Gebiss. Nein, es war die Großmutter, die keiferte. Moritz schaute sie ehrfürchtig und erstaunt zugleich an. Sie war so braun und runzelig im Gesicht und hatte tiefe, hängende Tränensäcke und schlaffe Wangen, und oben auf ihrem Kopf türmte sich eine wogende gelblich weiße Dauerwellpracht. Eine gewisse Ähnlichkeit mit seinem Vater war schon zu erkennen, wenn auch nur innerlich. Moritz rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her, er, das Geburtstagskind saß am Kopfende des Tisches. Er schaute verstohlen rüber zu seiner Mutter und konnte an ihrem Gesicht und an dem schmalen, verkniffenen Mund ablesen, wie sehr es in ihr brodelte.

Und weiter gings

"Ach, ich glaube, hier zieht es, eure Fenster sind nicht dicht. Die sind wohl auch nicht mehr die Neusten, was?" Richard, ihr Sohn, Moritz Vater lächelte nur blöde, hat sie jetzt gescherzt oder was? dachte Moritz verwirrt. "Barbara, nein, hast du dir aber eine Arbeit gemacht mit dem vielen Kuchen! Kommt denn noch wer?" "Ja, meine Schwester Ulrike." brachte Moritz Mutter mühsam mit zusammengebissenen Zähnen hervor. "Die Ulrike ist die denn jetzt nicht auch geschieden?" gackerte wieder die Oma.

Ja, dachte Moritz Mutter und ich bin auch gleich eine geschiedene Frau und dein Sohn wird zum Vollwaisen, stattdessen aber sagte sie, freundlich und zuckersüß: "Darf ich dir noch Kaffee nachschenken?" "Nein," die Oma zog die Tasse zurück "ich kann sonst nicht schlafen. Und du auch nicht, Gustav!" und sie bedachte ihren scheinbar harmlosen, Gebiss kauenden Mann mit einem strengen Blick.

Moritz wurde es abwechselnd heiß und dann wieder kalt, er stocherte in seinem Stück Kuchen rum und hatte keinen rechten Appetit. "Moritz!" Die letzte Silbe seines Namens zischte ihn an, waren da nicht auch Speicheltröpfchen auf seinem Teller gelandet. Die Oma wandte sich jetzt an ihn. "Kannst du nicht ruhig sitzen? Erzähl mal der Oma, was du von deinem Papa zum Geburtstag bekommen hast!"

Alle Aufmerksamkeit war jetzt auf ihn gerichtet und er räusperte sich nicht erst, sondern sagte gleich mit rauer Stimme: "Zwei Schläge in die Magengrube".

Das Entsetzen war groß, die Oma riss ihre faltigen Augen auf, der Opa vergaß zu kauen und sein Vater sprang auf und brüllte seinen Namen. Er wollte Moritz schon fast eine huschen, saß aber zu weit von ihm entfernt.