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Leseproben aus 'Moritz'

Ganz am Anfang

Willst du mir nicht erzählen, Moritz, wie du an diese grauenvollen Striemen auf deinem Rücken gekommen bist?

Ach, Moritz zog zweifelnd die Oberlippe ein wenig hoch.

Ich habs vergessen.

Er saß in der Küche, seine Schularbeiten auf dem Tisch ausgebreitet und brütete über Gleichungen X+3 = 7 2X+ 4X=10 Seine Mutter saß ihm gegenüber und strickte an irgendeinem Stück Wolle, hoffentlich nicht ein Pullover für ihn oder so. Es war sehr gemütlich, fand Moritz. Auf dem Herd stand das Essen für seinen Vater, bereits gerichtet, sie wartete darauf, dass er von der Arbeit nach Hause kam, um es ihm aufzuwärmen.

"Hm, schon fünf Uhr. Ich weiß auch nicht, wo er wieder bleibt." Ach, es war Moritz ganz recht, dass er noch nicht auftauchte. Und er hätte auch ruhig weiterhin fernbleiben können, vielleicht ein paar Stunden, Tage, Wochen, Monate. Ihn hätte es nicht gejuckt.

Er arbeitete konzentriert weiter und nachdem er wieder mal so eine dämliche Aufgabe gelöst hatte, reckte er das Kinn nach oben in die Luft, streckte den Hals, breitete die Arme aus, so dass es ihm im Rücken leise knackte und er seine Muskeln spüren konnte und gähnte, Uuuuah.

Seine Mutter sah auf und lachte. "Na du, wie kommst du voran?" "Och gut danke." Das Schuljahr hatte ja gerade erst wieder angefangen und noch war die Neunte ein Klacks, konnte man so sagen. "Ist es dir nicht zu warm, son Wollpulli oder was das wird, zu stricken?" Moritz sah seine Mutter skeptisch an. "Na ja, " lächelte sie "man muss früh genug damit anfangen, wenns pünktlich fertig sein soll." Oh, oh, er konnte es ahnen, das schien wohl doch ein Teil für ihn werden zu wollen. Da musste er durch, er besah sich kritisch die Wolle und das Muster. Die Farbe des Garns war schwarz, na, da konnte ja nicht viel dabei schief gehen. Er steckte die Nase wieder zurück in sein Heft. Öde. Noch drei Aufgaben. Weiter gings.

Die Haustür knackte, als der Schlüssel im Schloss gedreht wurde. Moritz zuckte zusammen. Rums, flog die Tür zu. Dass der nie leise und manierlich reinkommen kann, das dachten wohl beide, Moritz und seine Mutter. Natürlich, er ging erstmal aufs Klo, sein Vater, vielleicht, weil er ihm, Moritz, Zeit lassen wollte, zu verschwinden oder um alle in atemlose Stille zu versetzen und sie warten ließ, ehe er eintrat, eine laue Begrüßung brummelte und geräuschvoll seine Schuhe in die Ecke des Flurs polterte.

Heute behielt er sie jedoch an den Füßen, eine vage Hoffnung machte sich in Moritz breit, vielleicht wollte er später ja noch mal weg. "Hallo Richard, bist spät dran heute." Seine Mutter legte ihr Strickzeug beiseite und erhob sich, um das Essen aufzuwärmen. Sein Vater trat hinter Moritz und warf einen Blick über dessen Schulter. "Wasn das?" fragte er. "Mathematik." antwortete der Junge knapp. "Das sehe ich auch!" Warum fragst du dann, dachte Moritz, leicht genervt. "Hast du kein Zimmer, wo du deine Hausaufgaben machen kannst?" Moritz hasste diese Rhetorischen Fragen, sollte er mal mit "Nein" antworten? Ausnahmsweise, nur so zum Spaß? Ach nein, besser nicht, sein Leben war ihm noch lieb und teuer.

"Hee Hallo?" "Richard, jetzt lass den Jungen doch, soll ich dir dein Essen warm machen, oder willst du noch wohin?" Moritz versuchte, sich wieder in seine Rechnungen zu vertiefen, er konnte sich nicht konzentrieren, seine Mutter hatte aber auch Nerven. "Wo soll ich denn hingehen?" Moritz Vater rauschte hinüber ins Wohnzimmer, um sich dort seiner Schuhe zu entledigen. Seine Mutter schüttelte nur mit dem Kopf, Moritz konnte es aus den Augenwinkeln sehen.